Liebe Händler gebt fein acht, was ihr mit den Marken macht

Heutzutage, im Strudel von E-Commerce, Omnichannel, Digitalisierung und verwaisten Innenstädten, sollten stationäre Händler behutsam darauf achten, wie sie ihr Sortiment zusammenstellen und welche Marken sie von ihren kostbaren Verkaufsflächen profitieren lassen.

Ausgangspunkt für diesen Artikel ist der kontrastreiche Nachhall zweier Meldungen der letzten Wochen. So war besonders eine veröffentlichte Zahl von Adidas interessant, Zitat aus Textilwirtschaft Nr. 33/2019: „Im Vertrieb profitieren vor allem die eigenen Kanäle des Konzerns. Der E-Commerce sticht dabei mit einem Plus von 37% hervor.“ Dazu im Vergleich die Aussage von Puma, entnommen von Reuters am 31. Juli 2019: „Anders als die Konkurrenz setzt Puma nicht massiv auf den Internet-Handel. ‚Wir wollen den Online-Absatz nicht maximieren, unsere Partner im Einzelhandel haben für uns Vorrang‘, betonte Gulden. Nur etwa fünf Prozent verkaufe Puma an den Händlern vorbei direkt an die Kunden – deutlich weniger als der Rivale Adidas.“

Nicht nur in der Branche und in Finanzmarktmedien, auch bei uns im Haus wurden diese Meldungen lebhaft diskutiert. Die ein oder andere Stimme von Journalisten beziehungsweise Experten lobte dabei die positive Entwicklung von Adidas im E-Commerce, während leicht die Nase gerümpft wurde ob des geringen E-Commerce-Anteils bei Puma. Fortschrittlich die einen, altbacken oder unfähig die anderen – was zwar so nicht explizit zu lesen, aber zwischen den Zeilen durchaus so zu verstehen war. Nun ist es nicht nötig, hier zwischen den Zeilen lesen zu können oder beide Nachrichten zu vergleichen, um als stationärer Händler eigene Überlegungen anzustellen und entsprechende Schlüsse zu ziehen.

Verkaufsflächen sind Akquisekosten, keine Mietkosten

Jenseits nüchtern finanzieller Gründe, wie beispielsweise den Konditionen, die eine Marke dem jeweiligen stationären Händler anbietet und dem Umsatzanteil der Marke bei den Kunden, lohnt es sich darüber nachzudenken, was die Verkaufsfläche im Laden denn eigentlich ist. Mietkosten, also Ausgaben, ist die klassische Antwort. Man kann aber auch einen anderen Blickwinkel einnehmen, wie es der US-amerikanische Handelsexperte Doug Stephens in einem vielbeachteten Artikel auf businessoffashion anschaulich beschrieben hat: Der stationäre Laden als solcher und mit ihm jede Verkaufsfläche darin, die einer Marke zugestanden und zugeordnet wird, sind als Akquisekosten zu betrachten, also Ausgaben und Aufwendungen, die dazu dienen, mehr Kunden von einer Marke zu überzeugen und sie zu treuen Käufern zu machen. Der Verbleib an einem bestimmten Ort oder die Dauer, wie lange man sich mit einer Marke beschäftigt wird im E-Commerce, also in Online-Shops, schon längst gemessen – in kleinen und mittelständischen stationären Läden ist das bisher noch unüblich.

Zugegeben, es fehlt an einer breitflächigen Einführung entsprechender Technologien, dennoch steht zuvorderst die Einsicht, dass stationäre Läden ideale Akquisestationen sind für Marken. Natürlich wird man als Händler vor allem Brands im Sortiment haben, an denen man gut verdient; aber will man der Steigbügelhalter sein für Marken, die stationäre Händler immer mehr vernachlässigen und ihren Profit vor allem in die eigenen Kanäle reinvestieren? Oder will man lieber mit Marken zusammenarbeiten, die das eigene Geschäftsmodell – den stationären Handel – bewusst unterstützen?

Win-Win ist keine Wunschvorstellung

Es sei angemerkt, dass unser gax-System beide Strategien, also im konkreten Fall sowohl Adidas als auch Puma, unterstützen würde, da wir uns im Handel auf Win-Win-Konstellationen fokussieren. Dementsprechend sind wir der Überzeugung, dass es weder nötig ist die stationären Händler, die jahrzehntelang zum Erfolg der Marke enorm beigetragen haben, zu kannibalisieren und genauso wenig ist es nötig, die eigenen E-Commerce-Ambitionen zu vernachlässigen, weil man die stationären Partner unterstützt.

So lange jeder sein Ding macht bleibt auch stationären Händlern nichts übrig, als auf sich selbst zu achten und sich gut zu überlegen, mit wem man kooperiert, wem man seine kostbaren Akquiseflächen zur Verfügung stellt und mit welchen Marken sich eine Zusammenarbeit dauerhaft lohnt, ohne einsam in einer Sackgasse zu landen. „Wenn der weise Mann zum Mond zeigt, blickt der Einfältige auf dessen Finger“ – so in etwa lautet ein chinesisches Sprichwort; und manchmal ist es einzig und allein der Fokus – der konkrete Blick – der zu Erkenntnis führt; oder eben nicht.