Viele neue Marken, die erst in den letzten Jahren aufkamen, hatten ihren Vertrieb von Beginn an auf eine D2C-Strategie ausgerichtet. Keine Zwischenhändler und Mittelsmänner mehr und die komplette Kontrolle über Vertrieb, Produktpräsentation und Kundendaten. Mittlerweile springen aber auch vermehrt etablierte Marken auf den D2C-Zug auf und stellen ihre Unternehmensstrategien teilweise oder vollständig auf Direct to Consumer um. Wenn Hersteller ihre Produkte nun verstärkt direkt an die Endverbraucher verkaufen, dann wirft das Fragen auf über deren Motive und vor allem über die Folgen dieses Vertriebsmodells. Im Folgenden ein paar Überlegungen und Denkanstöße:

Welche Vorteile bietet D2C den Herstellern?

Die Marke legt die Preise fest und steuert diese über alle Kanäle hinweg. Somit bleibt eine höhere Marge beim Hersteller und die Kunden profitieren von niedrigeren Verkaufspreisen. Darüber hinaus entfällt die Abhängigkeit vom Einzelhandel, da die Kontrolle über Warenpräsentation und Kundenservice vollständig bei der Marke liegt. Darüber hinaus erlangen Marken große Mengen an Kundendaten – und zwar exklusiv. Dies versetzt sie in die Lage, potenzielle Käufer besser anzusprechen sowie in der Produktentwicklung die Bedürfnisse der Zielgruppen genauer zu erfüllen.

Welche Nachteile ergeben sich daraus?

Wer die volle Kontrolle haben will, der hat auch alle Hände voll zu tun. Das Pendel schwingt bekanntlich in beide Richtungen – und so greifen auch alle negativen Kundenerfahrungen, suboptimalen Prozesse und schlechten Produktpräsentationen direkt auf die Marke über. Wer mit vielen Bällen, Keulen und Tellern jongliert, muss auch alle Bälle, Keulen und Teller elegant in der Luft und alle Prozesse im Fluss halten können. Diese operativen Ebenen von D2C werden häufig unterschätzt, insbesondere wenn es weniger um eine Metamorphose des Vertriebsmodells geht, als darum, mittels D2C an die Daten von mehr (allen) Kunden zu kommen.

Gibt es nur eine Art von D2C?

Nein, es gibt nicht die eine, einzig wahre Art Direct to Consumer zu machen. Auch hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten in der Aufstellung und Umsetzung. So bedeutet D2C nicht, dass der einzige Verkaufskanal der eigene Webshop ist. Auch der Verkauf über Marktplätze gehört zum D2C-Vertrieb, genauso wie beispielsweise auch stationäre Geschäfte in Form von Flagship Stores. Ebenso kann das Fulfillment der Bestellungen ausgelagert werden, entweder an Third-Party-Logistiker oder an die eigenen Filialen. D2C heißt, gerade für etablierte Marken, eben nicht alles oder nichts. Im Endeffekt geht es darum, dass die Marke der Rechnungssteller ist, um von Direct to Consumer sprechen zu können – darüber hinausgehende Prozesse können (auch produktabhängig) variabel gestaltet werden. D2C muss somit nicht zwangsläufig heißen, dass die Marke nur über Kanäle erreichbar ist, die ihr selbst gehören und über die sie selbst verkauft. Das kann für bestimmte Produktlinien gelten, für andere nicht, die nach wie vor auch im freien Handel zu erwerben sind.

Und was ist mit dem stationären Handel?

Da D2C zugenommen hat durch den E-Commerce, ist der Fixpunkt um den sich alle Prozesse drehen, auch der E-Commerce. Für junge Marken ist es dabei eine oftmals natürliche Entscheidung, im stationären Handel nicht präsent zu sein, während etablierte Marken sich genau überlegen müssen, wie sie es mit dem stationären Handel handhaben wollen. Ein reines D2C-Modell über alle Kanäle hinweg würde auch bedeuten, dass die stationären Geschäfte reine Markenstores sind, die als Filialen und Flagship Stores vom Hersteller selbst oder als Franchise betrieben werden. Unter dem Aspekt der Kontrolle ein vordergründig reizvoller Gedanke, aber im Hinblick auf langfristige Kundenbindungen und wiederum deren Gewohnheiten stellt sich doch die Frage: Will der Konsument von einem Markenstore in den nächsten wandern oder zieht er es vor, in einen Multibrandstore zu gehen, um die Marken dort zu vergleichen und im selben Zug die dort nicht vertretenen Marken auch weniger oder sogar überhaupt nicht mehr zu beachten? Konsequent zu Ende gedacht bedeutet das: Werden Produkte einer Marke in unabhängigen Läden nicht mehr verkauft, dann wird der frei gewordene Platz im Regal von anderen Marken eingenommen.

Motive für die Einführung und Umsetzung von D2C

Bei Direct to Consumer sollten sich Hersteller sehr bewusst sein, warum sie ihren Vertrieb auf diese Strategie ausrichten wollen. Geht es um den ganzheitlichen Markenauftritt, den man vollständig kontrollieren will? Geht es um ökonomische Vorteile, die man explizit dadurch erzielen will? Geht es darum, in den exklusiven Besitz der Kundendaten zu kommen?

Abhängig davon gestaltet sich auch die Umsetzung einer D2C-Strategie, mit all ihren Vor-und Nachteilen. Das eigene Markenimage weitestmöglich zu kontrollieren bedeutet, alle Prozesse selbst in der Hand zu haben und keinen Bereich zuzulassen, auf den man keine direkte Wirkkraft hat (dann werden beispielsweise Produkte bei keinem freien Händler gelistet). Wenn es aber in erster Linie um den Zugang zu den Kundendaten geht, dann können auch freie Händler und Multibrandstores die eigenen Waren verkaufen, solange die Marke der Rechnungssteller ist.

Allgemeiner formuliert sollten sich Hersteller folgende Fragen stellen:

  • Will ich die totale Kontrolle?
  • Oder habe ich Angst vor Kontrollverlust?
  • Oder will ich die Kontrolle in ganz bestimmten Bereichen?

Daraus leitet sich dann die Implementierung entsprechender Maßnahmen ab. Schließlich bedeutet jeder Grad zusätzlicher Kontrolle einen Aufwand, der sich lohnen muss.

Sie haben Fragen zu Ihrer D2C-Strategie? Sprechen Sie uns an, wir helfen Ihnen gerne weiter!