Kommentar: Tod der Innenstadt? Nein, sagt Zalando

Zalando und adidas machen lagertechnisch gemeinsame Sache.

Als Zalando 2008 deutschlandweit startete, wurde das Onlineportal für Mode noch vom stationären Handel belächelt. Zalando drückt seit Jahren auf die Tube, expandiert mittlerweile, wo es nur geht. Und der Einzelhandel? Dem ist das Lachen vergangen, er steckt mittlerweile in einer tiefen Krise. Und jetzt soll ausgerechnet Zalando den Einzelhandel retten? Eine Einschätzung.

Sind die Innenstädte tatsächlich tot? Ist der lokale Handel noch zu retten? Auf diese Fragen versuche ich gemeinsam mit meinem Redaktionskollegen Andreas Plöger seit einiger Zeit schlüssige Antworten zu finden. Bisher mit dem Ergebnis, vage Vermutungen als steile These zu verkaufen. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber Vermutungen bringen uns auf Dauer nicht weiter. Ein Grund, warum wir knapp sieben Monate mit einer Fortsetzung dieser Kolumne gewartet haben.

Doch mit den Thesen ist nun endlich Schluss. Denn ausgerechnet das Onlinehaus Zalando sorgt mit einem Pilotprojekt mit einem vielversprechenden Ansatz für die meines Erachtens einzig sinnige Lösung und damit für die Rettung des stationären Handels. So wird der adidas-Store in Berlin ein Teil der Zalando-Modeplattform; eine strategische Partnerschaft auf dem Weg zum vernetzten Handel.

Zalando: der globale E-Commerce

„Vernetzt von A bis Z“ ist das Motto des Onlineriesen – „von adidas bis Zalando“ trifft es wohl eher. Ein Treffer, der erkennen lässt, dass der Kunde sich eine zentrale Anlaufstelle wünscht. Eine Plattform, über die er alle beteiligten Kanäle erreichen kann. Und tatsächlich, der Kunde kann ab sofort bei Zalando erstmals Ware bestellen, die von stationären Händlern geliefert wird. Gleichzeitig darf der lokale Handel endlich teilnehmen am globalen E-Commerce. Viele Kunden haben das bereits verstanden, die meisten Händler jedoch noch nicht. Einige lokale Händler gehen sogar soweit und verlangen für gezielte Beratung Geld. Andere behaupten, „E-Commerce sei schädlicher als der stationäre Handel“.

Bis zu 78.000 stationäre Filialen – also rund 30 Prozent – werden bis zum Jahr 2020 schließen. Weitere 40 Prozent werden nur überleben, wenn es ihnen gelingt, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu verändern.

Institut für Handelsforschung 2014

Eine Zwickmühle, die ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Es gibt nur eine Frage, die ein Händler beantworten muss: Wie kann ich den steigenden Ansprüchen von online- und mobil-affinen Kunden gerecht werden. Punkt! Hat er die Lösung, hat er gute Chancen auch heutzutage als Händler erfolgreich zu sein.

Mit dem Zalando-Pilotprojekt haben Kunden die Möglichkeit, zentral auf sämtliche Modeangebote zuzugreifen, egal wo diese lagern. Wir sprechen hier von Europas größtem Modelager, einem dezentralen Lagernetzwerk von Marken und Geschäften. Im Umkehrschluss bedeutet das für den lokalen Händler: besseres Sortiment, bessere Kundenansprache, bessere Produktpräsentation. Wer da nicht mitmischt, wird garantiert zu den Filialen gehören, die 2020 (siehe oben) ihren Laden dicht machen können. Selbst Schuld.

Multi-Channel, Omni-Channel – ist mir doch egal

Schauen wir uns aber nun die Zalando-Lösung in der Praxis an. Mit der hauseigenen App ZipCart können Kunden aus Berlin ab sofort direkt auf die Lagerbestände im stationären adidas-Geschäft in Berlin zugreifen. Bei Bestellung bis 15 Uhr, werden die Produkte aus dem Store sogar noch am selben Tag zwischen 19 und 21 Uhr geliefert. Same Day Delivery ist so nicht nur ein Marketing-Buzzword, die schnelle Zustelloption wird endlich Realität.

In den letzten sieben Monaten musste ich feststellen, dass der lokale Handel immer wieder auf das falsche Pferd setzte; Service, Personal und Sortiment nachhaltig vernachlässigte. Ja fast schon grob fahrlässig handelte. Zalando sorgt mit der Händlerintegration nicht nur für ein breites und tiefes Sortiment, auch die Reichweite aller Beteiligten erhöht sich automatisch um ein Vielfaches. Zudem erspart sich der lokale Händler in der Administration eine Menge Arbeit.

So stellen Einzelhändler immer wieder fest, dass der Umbau zum Multi- beziehungsweise Omnichannel-Händler wesentlich komplexer ist als zunächst angenommen. Dennoch, „in Zukunft werden Partner die technischen Komponenten selbst steuern können, um ihre Produkte einzustellen, Preise, Mengen und den Standort auf unserer Plattform zu definieren. Sie werden außerdem die gesamten Auftragsabwicklungen, Rücksendungen und finanzielle Prozesse, wie zum Beispiel Zahlungen, managen können“, so Zalando-Manager Christoph Lang gegenüber Neuhandeln.de.

Wir möchten Kunden Zugang zu jedem Modeartikel bieten, egal, wo er sich befindet, und stationäre Händler mit digitalen Kunden vernetzen.

David Schneider, CEO Zalando.

Händler, Marken, Verbraucher auf einer Seite, genial

Wohin die Reise führt, ist völlig klar: Kunden sind heute überwiegend online unterwegs, während ein großer Teil an Modeartikeln in lokalen Geschäften zu finden ist. Der Zugang zu jedem Modeartikel, egal, wo er sich befindet, inklusive dem stationären Händler, der sich mit dem mobilen Kunden vernetzt – traumhaft. Und ich bin mir sicher: In naher Zukunft wird das Unterfangen mächtig aufgebohrt.

Der Nutzer wird im gesamten Einzugsbereich DACH auf ein riesiges Sortiment mobil zugreifen können. Er wird nicht einmal merken, ob er gerade bei der Marke, beim Onlinehaus Zalando oder beim Händler um die Ecke bestellt. Versand, Retouren, Lagerung werden von allen Unternehmen gleichermaßen gestemmt – nicht nur von Zalando. Und ebenfalls nicht weniger interessant: adidas betreibt inzwischen nicht nur seinen Markenshop bei Zalando, sondern gewährt Zalando seit Ende November 2015 auch direkten Zugriff auf sein Zentrallager bei Osnabrück, von wo aus adidas seine Händler beliefert, aber täglich auch rund 15.000 Pakete an Endkunden verschickt. Andere Marken werden das Potenzial sicher auch registriert haben.

Und nun? Fakt ist, es sind „zehnmal mehr Kunden online unterwegs und bereiten ihre Kaufentscheidung digital vor“, weiß Gerrit Heinemann, Professor an der Hochschule Niederrhein. Wer demnach sein Angebot nicht online zur Verfügung stellt, wird es offline umso schwerer haben. Klar, alles kein Hexenwerk. Weitere Zahlen hat aktuell das Statistische Bundesamt parat: 47 Millionen Menschen in Deutschland kaufen über das Internet ein. Eine tolle Entwicklung – jetzt muss der stationäre Handel nur noch seine Angst vor Veränderung ablegen.

Dieser Artikel ist der dritte Teil der E-Commerce-Kolumne „Innenstädte und der E-Commerce“ und ist ursprünglich im Firmenblog der Dr. Thomas + Partner GmbH & Co. KG erschienen.

Teaserbild: Zalando